Resümee 2024 - Licht und Schatten – kein großer Wurf in Sicht
Was hat sich 2024 in Aurich für den Radverkehr verändert? Welche Verbesserungen gab es oder mussten Zufußgehende und Radfahrende eher Nachteile in Kauf nehmen? Der ADFC hat zum Jahreswechsel eine Bewertung vorgenommen. Das Ergebnis ist ernüchternd.
„Ja, es gab einzelne Verbesserungen, darüber freuen wir uns“, sagt ADFC-Vorstandssprecher Albert Herresthal, „doch leider ist viel Stückwerk dabei – ein grundlegendes Konzept für echte und nachhaltige Verbesserungen des Fuß- und Radverkehrs ist in Aurich nicht zu erkennen“. Als positive Veränderungen nennt der ADFC beispielhaft die Fahrradspur in der Fockenbollwerkstraße, vereinzelte für den Radverkehr bevorrechtigende Querungen auf dem Ostfriesland Wanderweg und die Verbreiterung des Ems-Jade-Kanal-Wegs bis Kukelorum. Das sind gute Schritte. Ob einzelne Maßnahmen Aurich jedoch der Verkehrswende näherbringen, darf bezweifelt werden. „Es fehlen nach wie vor ganz wesentliche Elemente und Grundlinien des 2019 von der Stadt beschlossenen Masterplans Radverkehr 2030“ sagt der ADFC. Dazu gehören komfortable und kreuzungsarme Radschnellwege für die Pendlerverkehre, die nicht einmal in Planung sind.
Laut Masterplan sollen Radfahrende in Aurich „eigenständige Wege“ nutzen können. Die Entwicklung in Aurich geht nach wie vor jedoch in die gegenteilige Richtung. Selbst bei neuen Straßensanierungen setzt Aurich weiterhin auf gemeinsame Wege mit dem Fußverkehr – zum Nachteil für beide Verkehrsarten. Diese Fehlentwicklung soll offenbar auch im neuen Jahr fortgesetzt werden, denn in der Oldersumer Straße wird – entgegen konkreter Empfehlungen des Masterplans Radverkehr für diese Straße ebenfalls ein gemeinsamer Geh-/Radweg geschaffen.
„Wenn man im Auto unterwegs ist, kann man sich entspannt mit dem Beifahrer unterhalten. Das geht als Fußgänger nicht, wenn man dauernd weggeklingelt wird und für Radfahrende Platz machen muss. Auch Zufußgehende haben ein Recht auf eigene Wege, auf denen sie sich stressfrei bewegen können“, sagt der ADFC.
Ein besonders krasses Beispiel ist der sowohl von Zufußgehenden als auch von Radfahrenden stark frequentierte Hoheberger Weg. Hier ist der Gehweg mit dem Zusatzschild „Fahrrad frei“ versehen. Radfahrende dürfen nur Schrittgeschwindigkeit fahren oder sie müssen die Fahrbahn benutzen. Da auf der Fahrbahn Tempo-50 gilt und es auch keinerlei Hinweise für Autofahrende auf den Radverkehr gibt (z.B. durch Piktogramme), scheuen sich viele Radfahrende, angesichts der Gefahren, auch durch rücksichtslos zu eng überholende Kraftfahrzeugführende, die Fahrbahn zu nutzen. Stattdessen nutzen sie in großer Zahl den schmalen Gehweg, sogar linksseitig, was eine zusätzliche Gefahr darstellt. Der ADFC hat bereits vor über einem Jahr konkrete Vorschläge für Verbesserungen gemacht, die Politik hat darüber diskutiert, aber die Verwaltung sitzt das Problem aus. Dabei wären zumindest eine Geschwindigkeitsreduzierung und das Aufbringen von Piktogrammen auf der Fahrbahn wirkungsvolle und zugleich kostengünstige Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmenden. „Doch in der Stadt Aurich scheinen Geschwindigkeitsreduzierungen für den Kfz-Verkehr wie Gotteslästerungen empfunden zu werden“, bringt Albert Herresthal das Grundübel der Auricher Verkehrspolitik augenzwinkernd auf den Punkt.
Ein weiteres wichtiges Element der Radverkehrsförderung ist laut Masterplan ein durchgängiges Radverkehrsnetz. Dieses besteht in Aurich jedoch nur in sehr lückenhafter Form. Immer wieder gibt es auch auf kurzen Abschnitten wechselnde Radverkehrsführungen: Fahren auf der Fahrbahn, auf dem gemeinsamen Rad- und Fußweg, nur in Schrittgeschwindigkeit, Fahrrad schieben. Und das auf den unterschiedlichsten Untergründen: Von Asphalt (sehr gut, leider selten) über Pflasterwege, wassergebundene Wege (bei feuchtem Wetter eine Zumutung) bis hin zu grobem Kopfsteinpflaster (sogar in der Fahrradzone – Burgstraße) ist alles dabei.
Um Kreuzungen für den Radverkehr sicherer zu machen, werden im Masterplan aufgeweitete Aufstellflächen für Radfahrende (ARAS) vorgeschlagen, konkret z.B. an der Hafenstraße und Kirchdorfer Straße vor der Kreuzung Fischteichweg/ Julianenburger Straße. Diese Empfehlung wurde leider bei der Neugestaltung und bis heute ignoriert. Die Kreuzung ist für Zufußgehende und Radfahrende auf der Fahrt vom Hafen zur Ostertorkreuzung eine Zumutung und die Stadt hat bisher alle konkreten Verbesserungsvorschläge des ADFC unbeachtet gelassen. Vor der Ampel muss der Radverkehr, der in normaler Fahrradgeschwindigkeit unterwegs sein will, die Fahrbahn benutzen, findet aber keine Einfädelungshilfe.
Fazit: Aurich ist 2024 einige gute Schritte in Richtung auf mehr Fahrradfreundlichkeit gegangen, von einer konsequenten Radverkehrsförderung aber noch weit entfernt. Der ADFC hat mehrfach seine Unterstützung angeboten, wird aber nach wie vor nicht über die Planungen informiert geschweige denn eingebunden. Hier besteht weiteres Verbesserungspotenzial.