Radfahren auf der Fahrbahn? - ADFC Aurich

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Ortsgruppe Aurich

Radfahren auf der Fahrbahn?

In den letzten Wochen und Monaten wurden in Aurich die Führungen des Rad- und Fußverkehrs angepasst und das Fahren auf der Fahrbahn zum Regelfall für alle gemacht. Die Änderungen haben in der Bevölkerung teilweise zu Irritationen geführt.

In den letzten Wochen und Monaten wurden in Aurich die Führungen des Rad- und Fußverkehrs der geltenden Rechtslage (StVO, Verwaltungsvorschrift zur StVO, ERA u.a.) angepasst. Teilweise wurde die Benutzungspflicht von gemeinsamen Wegen mit dem Fußverkehr aufgehoben und das Fahren auf der Fahrbahn zum Regelfall für alle gemacht, die in normaler Fahrrad-Geschwindigkeit unterwegs sein wollen. Die Änderungen haben in der Bevölkerung teilweise zu Irritationen geführt. Der ADFC Aurich möchte zu einer differenzierten Betrachtung und zu einem besseren Verständnis beitragen.

Zunächst einmal:

Gehwege dürfen nur dann per Beschilderung zu gemeinsamen Wegen mit Benutzungspflicht für den Rad- und Fußverkehr gemacht werden, wenn klar definierte Voraussetzungen dafür vorliegen (Breite, Frequenz u.a.). In der Vergangenheit wurden diese rechtlichen Vorgaben in Aurich oft nicht eingehalten, was auch im Masterplan Radverkehr Aurich 2030 festgestellt wurde. Wenn dieser rechtlich nicht haltbare Zustand nun revidiert wird, ist das grundsätzlich zu begrüßen, denn die Regeln dienen der Gefahrenabwehr für die schwächsten Verkehrsteilnehmenden, die Zufußgehenden. Aber auch für Radfahrende war das verpflichtende Befahren der oft zu schmalen Geh-/Radwege oft problematisch und gefährlich.

ABER:

Die Aufhebung der Benutzungspflicht allein löst noch nicht die Probleme des Radverkehrs in Aurich. Die neue Verkehrsführung des Radverkehrs auf der Fahrbahn muss sicher und komfortabel sein. Dazu bedarf es meist zusätzlicher, flankierender Maßnahmen. Ohne ein Gesamtpaket wird es in der Bevölkerung keine Akzeptanz für die neuen Regelungen geben.

Wie ist die Rechtslage?

Kinder bis 8 Jahre MÜSSEN, Kinder bis 10 Jahre dürfen jeden Gehweg mit dem Rad benutzen. Ein Elternteil oder andere Aufsichtsperson über 16 Jahre darf per Fahrrad ein Kind unter 8 auf dem Gehweg begleiten. Alle anderen Radfahrerinnen und Radfahrer ohne Altersbegrenzung dürfen den Gehweg nicht benutzen. Eine Ausnahme gilt, wenn die Verkehrszeichenkombination "Gehweg, Fahrrad frei" aufgestellt ist. Dann dürfen sie den Gehweg nutzen, müssen aber in Schrittgeschwindigkeit und mit besonderer Rücksicht auf Zufußgehende fahren. Wer mit normaler Fahrrad-Geschwindigkeit fahren möchte, muss mit dem Fahrrad die Fahrbahn nutzen.

Beispiel Neuregelung Hoheberger Weg:

Die Stadt Aurich hat die Radwegeführung am Hoheberger Weg geändert, weil die bisherige Ausschilderung (kombinierter, in beiden Richtungen benutzungspflichtiger Rad- und Gehweg) seit 1998 (!!!) illegal war. Auch der 2019 beschlossene Masterplan Radverkehr spricht sich für eine Aufhebung der Benutzungspflicht mit ergänzenden Maßnahmen aus. Tatsächlich ist der Weg für das hohe Aufkommen an Fußgängern und Radfahrenden (Schüler) zu schmal und aufgrund der vielen Einmündungen und Grundstückszufahrten im Bereich Innenstadt bis hinterm Arbeitsamt gefährlich. Jetzt ist der bisherige Geh- und Radweg mit den Schildern "Gehweg" und "Radfahrer frei" gekennzeichnet.
Nach dem offiziellen Unfallatlas 2022 gab es am Hoheberger Weg auf den 700 Metern zwischen Innenstadt und Ligusterweg vier dokumentierte Unfälle mit verletzten Radfahrenden, davon war ein Unfall mit Schwerverletzten. Unfallgegner waren Fußgänger, Radfahrende (2x) und PKW. Im Abschnitt Ligusterweg bis Eckfehler Weg gab es vier weitere Unfälle mit verletzten Radfahrenden. In der Summe gab es auf beiden Abschnitten also acht Unfälle mit verletzten Radfahrenden. Die Dunkelziffer dürfte noch weit höher liegen. https://unfallatlas.statistikportal.de/. In diesem Jahr gab es am Hoheberger Weg / Eckfehler Weg sogar einen tödlichen Unfall (Radfahrerin starb beim Abbiegen eines unachtsamen LKW-Fahrers).

Zum Vergleich: PKW-Unfälle ohne Radfahrer-Beteiligung gab es 2022 nur einen einzigen. Das zeigt, dass der Hoheberger Weg bei der Radwegführung auf dem Gehweg gefährlich ist – auch wenn man sich dort subjektiv sicher fühlen mag. Die Unfallstatistik deckt den Widerspruch zwischen „gefühlter“ und objektiver Sicherheit auf.

Warum war die bisherige Regelung schlecht?

Der gemeinsame Fuß- und Radweg (in beiden Richtungen) war für das vorhandene Verkehrsaufkommen viel zu schmal.

  • Eine Zumutung für Zufußgehende (kein Nebeneinandergehen möglich, kein entspanntes Zufußgehen möglich, Angstpotenzial für mobilitätseingeschränkte Menschen).
  • Eine Zumutung für Radfahrende (nur langsames Fahren möglich, Probleme mit Begegnungsverkehr, Fahrbahn ohne ausreichenden Abstand, viele Fußgänger).
  • Begegnungsverkehr von Lastenrädern oder Fahrrädern mit Kinderanhängern kaum möglich.
  • Vielfältige Unfall-Gefahren durch Grundstücksausfahrten und einmündende Straßen oder querender Ostfriesland Wanderweg sowie Begegnungsverkehr auf schmalem Raum.

Die grundsätzliche Haltung des ADFC

… findet sich in unserer Broschüre in der Anlage („ADFC-Konzept für den Fuß- und Radverkehr in Aurich“) https://aurich.adfc.de/artikel/adfc-konzept-fuer-den-fuss-und-radverkehr-in-aurich. Hier fordert der ADFC u.a. geeignete, ausreichend breite Radwege gefordert, getrennt vom Fußverkehr. Gehwege sind in der Regel als Radwege ungeeignet. Dabei ist jedoch immer zu berücksichtigen, dass Veränderungen der Infrastruktur immer als Ganzes und vom Ergebnis her gedacht werden müssen. Das heißt in der Praxis, dass korrekte Einzelmaßnahmen mitunter nur als Gesamtpaket, zusammen mit flankierenden Maßnahmen, ein gutes Endergebnis bringen können. So ist es auch am Hoheberger Weg.

Unsere konkreten Forderungen für den Hoheberger Weg, Abschnitt Innenstadt bis Ligusterweg:

Die Aufhebung der Benutzungspflicht des Gehwegs war rechtlich zwingend. Das erkennt auch der ADFC an. Der ADFC fordert jedoch ein Gesamtpaket mit folgenden Elementen:

  • Geschwindigkeitsbegrenzung auf Tempo-25, ggf. ergänzt durch bauliche Maßnahmen wie mittig aufgebrachte Bodenschwellen
  • Große Fahrrad-Piktogramme auf der Fahrbahn (Entsprechendes wird auch im Masterplan Radverkehr so vorgeschlagen)
  • Überholverbot einspuriger Fahrzeuge (Vz 277.1)

Mit diesem Paket dürfte ein Mischverkehr aller Fahrzeuge auf der Fahrbahn für alle sicher möglich sein. Die Beeinträchtigungen für den Kfz-Verkehr durch die Geschwindigkeitsreduzierung sind vertretbar und machen auf der vollen Länge nur rund eine Minute aus.

Der Abschnitt vom Ligusterweg bis Wallinghausen bedarf einer eigenständigen Betrachtung, weil sie sich baulich und verkehrlich etwas anders darstellt. Um es nicht zu verkomplizieren, haben wir uns bei dieser PM auf den innenstadtnahen Abschnitt konzentriert.


https://aurich.adfc.de/pressemitteilung/radfahren-auf-der-fahrbahn-15

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